Krisen-Reaktionen
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Grundlagen der Krise
Reaktionen auf die Krise
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Entspannung
Arbeit am Problem

Persönliche Reaktionen auf die Krise

Autor: Mag. Günther Zier, Psychologe

 

Inhalt

Reaktionen auf die Krise

          Persönliche Reaktion auf ein heftiges Ereignis

          Schock

          Stress, Stressor, Stressreaktion des Körpers

          Angst, Psychisches Trauma

          Selbstmord, Die "Logik" des Selbstmordes

          Fragen nach Selbstmord-Absichten?

Literatur zur Selbsthilfe

Verwendete Literatur

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In diesem Teil des Textes zur Krisenintervention werden die Reaktionen der betroffenen Person auf die Krise beschrieben

 

Krise ist eine normale Reaktion

In einer Krise zu stehen ist ein ganz normaler Zustand, zwar schmerzhaft, unangenehm und frustrierend. Schwierigen Lebensumständen gegenüberzustehen und diese versuchen zu überwinden, ist eine ganz normale Reaktion eines normalen Menschen auf eine außergewöhnliche Situation.

"Zunächst einmal ist eine Krise kein pathologischer Zustand; sie kann jedem Menschen in jeder Phase seines Lebens begegnen.“ (Naomi Golan, 1983) Seite 62

Der Mensch, der mit einer Krise belastet ist fühlt sich möglicherweise krank, aber die Krise ist keine Krankheit und schon gar keine psychische Störung:

„’Krise’ meint eine länger dauernde, aber immer noch zeitlich begrenzte Belastung mit der Chance eines Wiedereinpendelns in einen (modifizierten) ‚Normalzustand’; unter einer psychischen Störung im Sinne einer Neurose versteht man dagegen eine lang anhaltende emotionale Belastung mit ungewissem Ausgang." (Dieter Ulich, 1982a)  Seite 185,186

Ein und dieselbe Lebenssituation wirkt auf Menschen möglicherweise vollkommen verschieden. Der Eine bewältigt die schwierige Lebenssituation mit ein wenig mehr Kraft und die gewohnten Alltagsroutinen reichen.

Dem Anderen macht die Krise Kopfzerbrechen und mit erhöhter Anstrengung kann die schwierige Lebenssituation gemeistert werden.

Ein Dritter dagegen beißt sich an derselben Situation die Zähne aus, verzweifelt und fällt in schwerste Depressionen, denkt vielleicht sogar an Selbstmord. Literatur: (Naomi Golan, 1983) Seite 62

Auch Richard Bandler & John Grinder betonen den persönlichen Umgang mit der Krise:

"Fast jeder Mensch unserer Kultur macht in seinem Lebenszyklus mehrere Zeiten der Veränderung und des Übergangs durch, die er bewältigen muss. (...)

Erstaunlicherweise sind einige Menschen fähig, diese Perioden der Veränderung mit geringen Schwierigkeiten durchzustehen, indem sie diese Perioden als Zeiten intensiver Energie und Kreativität erleben.

Andere, die mit derselben Herausforderung konfrontiert werden, erleben diese Perioden als Zeiten des Schreckens und des Schmerzes — Perioden, die ertragen werden müssen, während es im wesentlichen nur um's Überleben geht." (Bandler, Richard & John Grinder. 1981, Seite 34,)

So wie es aussieht, könnte man meinen, es käme nur auf die Persönlichkeit des Betroffenen an. Könnte der Einsatz fast willkürlich gesteigert werden und jede Krise könnte nur durch mehr Engagement und Hartnäckigkeit positiv gelöst werden?

Nein! Denn es hängt von vielen Faktoren an, ob eine Krise erfolgreich bewältigt werden kann. Für den Erfolg sind viele zusätzliche Einflüsse notwendig, die meistens von außen kommen. Weiter hinten in diesem Text werden die Faktoren einer erfolgreichen Krisenbewältigung beschrieben.

 

Einteilung der Krisenanlässe

Die persönliche Reaktion auf ein bedrohliches Ereignis hängt naturgemäß auch auf die Eigenheiten des Ereignisses ab.

„Krisenanlässe lassen sich grundsätzlich zwei Arten von Ereignissen zuordnen:

¤   Entweder hat ein Verlust oder eine erlittene Schädigung stattgefunden. Das Er­eignis ist irreversibel: Jemand hat eine nahe Person verloren, ist Opfer eines Unfalls oder einer Gewalttat geworden, ist schwer verletzt oder erkrankt, hat unwiderruflich in einer Prüfung versagt etc.

 ¤   Oder eine Bedrohung oder Überforderung liegt vor bzw. wird erwartet; zum Beispiel beruflicher oder familiärer Stress, drohende Trennung vom Partner, Gefährdung des Arbeitsplatzes, Nötigung zu weitreichenden Entscheidungen. Aber auch der Druck entwicklungs- und lebensgeschichtlichen Veränderungen, wenn sich Ziele widersprechen und dadurch motivationale Konflikte entstehen, wird als Anlass zu einer Krise angesehen.

Selbstverständlich gibt es Krisen, in denen beide Formen der Krisenanlässe vorkommen, z. B. Verlust der Heimat und drohende Ausweisung aus dem Gastland.“ Zitat: (Margarete Dross, 2001a, Seite 12)

Persönliche Reaktionen auf ein hartes Lebensereignis

Emotionaler Schock

(Link zur Erklärung: Was ist ein "emotionaler Schock"? )

Im Laufe des ruhigen, gewohnten Lebens kann unerwartet und plötzlich ein schlimmes Ereignis auftreten, wie z. B. Unfall, plötzlicher Tod eines nahen Verwandten od. Freundes, sowie Naturkatastrophen. Die erste Reaktion der / des Betroffenen ist der Emotionale Schock.

Plötzlich ist alles anders, das altgewohnte Leben ist vorbei, nichts davon ist in absehbarer Zeit wiedergutzumachen. Man glaubt, es trifft einem der Schlag, ist wie vom Blitz getroffen.

Die sichtbaren Reaktionen auf den Schicksalsschlag sind vielfältig: schreien, weinen, toben, herumschlagen, umfallen, nach Luft ringen. Aber auch das Gegenteil kann der Fall sein: totale Ruhe, Sprachlosigkeit, wie gelähmt – nicht bewegen können. Manche verlieren die Orientierung: Wissen nicht um die Zeit, nicht um den Ort und auch nichts von ihrer ursprüngliche Tätigkeit vor dem schlimmen Ereignis.      

Der erste Schock kann von wenigen Sekunden bis mehrere Stunden dauern und durchläuft mehrere Phasen. Link: Was ist ein "emotionaler Schock"?

Die Krise trifft den ganzen Menschen

Eine Krise trifft den ganzen Menschen, sein gesamtes Denken wird vom Krisengeschehen ausgefüllt. Es fällt sehr schwer, auch an etwas Anderes zu denken und seine Aufmerksamkeit auf unproblematische Lebensbereiche zu richten. Das ständige Denken an den Krisenauslöser macht es noch schwerer, kreative Lösungen für die Krise zu finden.

Zitate aus der Literatur:

"Nach unserer Auffassung wirft jede Krise ein grelles Licht auf die gesamten Bedingungen, Konflikte, unbewältigten Probleme und traumatischen Fehlentwicklungen, auf die gesamte innere Verfassung der Menschen: Es ist so, als hätte jemand den Teppich weggezogen, unter den bisher alles gekehrt worden ist. Gefühle, die blockiert oder verdrängt waren, Energien, die »geronnen oder eingefroren« waren, brechen plötzlich auf." (Monika Schnell und Helmut Wetzel, 2000) Seite 1710

"Im Zustand der Krise, die vom Konzept her ebenfalls vorübergehender Natur ist, ist nun die gesamte Person betroffen. Die Zielbezogenheit und Kontinuität „normaler" Erlebens- und Handlungsverläufe sind ernsthaft gefährdet oder unterbrochen. Die eigenen Mittel sind (zumindest vorübergehend) erschöpft; oft ist Hilfe von außen erforderlich. Eigene Anstren­gungen werden nicht für unbedingt erfolgversprechend gehalten, es kann Hilflo­sigkeit oder gar Hoffnungslosigkeit entstehen. In einer Krise kann auch Verzweif­lung auftreten. " (Dieter Ulich, 1982b)Seite 191,192

Die Krise erzeugt Stress

Stress ist die typische, allumfassende Reaktion auf eine Krise!

Auf Bedrohung oder Verlust reagieren Menschen. Diese Reaktion wird als „Stress“ bezeichnet. Die Stressreaktion ist uns angeboren und hilft uns, gefährliche Lebenssituation zu meistern. Stress ist an sich nichts Schlimmes, unser Körper kann zur Bewältigung von gefährlichen Situationen eine Menge Reserven in die Schlacht werfen – allerdings darf der Stress nicht zu lange andauern, schon gar nicht zum Dauer-Stress werden.

Stress ist ein zusätzlicher Störenfried in einer Krise. Aus der Sicht des Verfassers wird der Faktor Stress zu wenig beachtet und gedämpft. Vermutlich ist Stress der Hauptverursacher für die schlechte Befindlichkeit in einer Krise. Nicht nur das Stress-auslösende Ereignis hindert den Betroffenen an einem ruhigen gewohnten Weiterleben, sondern zusätzlich halten die Stressreaktionen den Betroffenen noch auf Trab und blockieren kreative Problemlösungen. Stress reduziert die geistige Leistungsfähigkeit und verkürzt auch die ohnehin knappen Erholungsphasen.

Was ist Stress?

Wann immer der Mensch mögliche oder wirkliche Gefahren wahrnimmt oder auch nur vermutet, aktiviert sein Körper ein Alarmsystem. Diese Aktivierungsreaktion ist im Organismus biologisch vorgegeben, und stellt dem Organismus alle seine Abwehrmechanismen und -kräfte bereit. Damit ist er auf eine möglicherweise bevorstehende Flucht oder einen Kampf in vorbereitet. (Brockhaus, 2004) Seite 1

Die Wahrnehmung einer Gefahr ist das Wichtigste am Stressgeschehen. Der Mensch muss eine Situation als gefährlich wahrnehmen, dann setzt die innere Stressreaktion ein. Ohne bewusstes Zutun versetzt sich der Organismus automatisch in einen Alarmzustand, um die Situation zu bewältigen.

Was genau versteht man unter „Stress“?

Stress ist ein psycho-biologischer Zustand des Organismus und zeigt sich in einer Gruppe zusammengehöriger Phänomene. Diese Gruppe wird als „allgemeines Adaptationssyndrom“ (AAS) bezeichnet.

 

Was ist ein „Stressor“?

Die Situation, oder das Ereignis, welches eine Stress-Reaktion im Körper auslöst wird als Stressor bezeichnet. Ein Stressor ist irgendetwas, das dem Organismus Schaden zufügt, ganz gleich, ob dieser physischer (z.B. Hunger, Schlafmangel, Verletzung) oder psychischer Natur ist (z.B. Liebesverlust oder Mangel an persönlicher Sicherheit).

Stress-Reaktion des Körpers

Die Stress-Reaktion des Körpers wird in 3 Hauptphasen eingeteilt:

¤   die Alarmreaktion,

¤   die Phase der Resistenz

¤   die Phase der Erschöpfung.

1.) Die Alarmreaktionauch Notfallreaktion genannt – ist die erste Reaktion auf Stressor (=Stress-provozierenden Reiz).

Der Körper reagiert sehr rasch auf einen Stressor mit verschiedenen komplizierten körperlichen und biochemischen Veränderungen. Es werden Stress-Hormone ausgeschüttet, die dem Körper mehr Kraft geben und seine Verletzbarkeit verringern.

Zusammengenommen sind diese Veränderungen immer die Gleichen, egal welcher Stressor auftritt. Ob Verlust eines Angehörigen, oder die drohende Geldstrafe bei einem Verkehrsdelikt, immer wird im Körper die gleiche Stressreaktion ablaufen.

Dies erklärt auch, warum die Menschen unter sehr ähnlichen allgemeinen Symptomen leiden, selbst wenn sie ganz verschiedene Krankheiten haben. Alle Welt klagt dann über Kopfschmerzen, Fieber, Müdigkeit, Muskel- und Gelenkschmerzen, Appetitmangel und allgemeine Erschöpfung.

2.) Phase der Resistenz

Hält die stressverursachende Situation weiter an, folgt auf die Alarmreaktion die Phase der Resistenz. (die zweite Phase des allgemeines Adaptationssyndroms). Der Organismus scheint nun einen Widerstand gegen den spezifischen Stressor, der die Alarmreaktionen auslöste, zu entwickeln. Die im ersten Stressstadium (Alarmreaaktion) aufgetretenen Symptome verschwinden, obgleich die störenden Einflüsse weiter bestehen.

3.) Phase der Erschöpfung

Hält die schädigende Einwirkung des Stressors zu lange an, kann der Organismus dem Stressor nicht länger widerstehen. Damit setzt das letzte Stadium, die Phase der Erschöpfung, ein. Die Hormondrüsen können wichtige Stresshormone nicht mehr in ausreichenden Mengen produzieren, dadurch kann sich der Organismus dem Dauerstress nicht mehr anpassen.

Viele der in der Alarmreaktionsphase aufgetretenen Symptome treten jetzt erneut auf.

Wirken die Stressfaktoren dauerhaft auf den Menschen ein, führt dies zu funktionellen Entgleisungen wie Erhöhung des Blutdrucks, Schlaflosigkeit, Magensaftüberproduktion und vegetativen Störungen. Folge­krankheiten können Bluthochdruck, Magengeschwüre und eine verminderte Durchblutung der Herzkranzgefäße sein.“ (Brockhaus, 2004)

Wirkt der Stressor noch länger auf den Organismus ein, so kann der Tod die Folge sein. Dauerstress macht den Menschen krank und über lange Zeit führt er indirekt zum Tod.

In den weitaus meisten Fällen wird der Stress jedoch reduziert, bevor der Zustand totaler Erschöpfung erreicht,

Bild: Das allgemeine Adaptionssyndrom (nach Seyle, 1956)

Literatur (P.G. Zimbardo & Angermeier, Wilhelm F., 1983) Seite 460

Stressablauf an anhand eines Beispiels: Wie ein urzeitlicher Jäger auf eine Bedrohung reagiert: Stressreaktion

 

Angst

Auf ein krisenauslösendes Ereignis reagieren die meisten Menschen mit Angst. Das ist eine natürliche Reaktion und soll den Menschen zur Flucht treiben.

Angst entsteht automatisch und ist Teil eines biologisch angelegten Programms, um unser Überleben zu sichern.

Angst in der besonders intensiven Form wird als „Panik“ erlebt. Wenn das bedrohliche Ereignis deutlich wird, oder als besonders gefährlich erlebt wird,  treibt einem die Panik zur Flucht. Oft ist die Flucht aber nicht möglich. Die meisten krisenauslösenden Ereignisse in unserer Zivilisation können nicht mit Flucht bereinigt werden. Man kann der drohenden Arbeitslosigkeit oder der tatsächlich ausgesprochenen Kündigung nicht davonlaufen.

"Die Angst hemmt, kann alle an der Krisenintervention Beteiligten hemmen." (Verena Kast, 1987) Seite 25

"Durch das Gespräch (Krisenintervention, Anm. G. Zier) wurde sie etwas angstfreier, und kaum hat sie etwas weniger Angst, kann sie kreativ werden. Angst blockiert unsere kreativen Prozesse." (Verena Kast, 1987) Seite 51

"Sorgen- und Grübelprozesse enthalten angst-induzierende und erregungsreduzierende Anteile: einerseits beschäftigt man sich mit Bedrohungen, andererseits werden konkrete anschauliche Vorstellungen des Bedrohlichen durch ausschließlich gedankliche Wiederholungen vermieden, Sich-Sorgen wirkt also in sich negativ verstärkend (Borkovec, 1994). Besorgnis gaukelt vor, man arbeite an einer Lebensschwierigkeit, während in Wirklichkeit eine Lösung vermieden wird." (Margarete Dross, 2001b) Seite 52

Durch Grübeln und das ständige Gedankenkreisen um das krisenauslösende Ereignis wird die ständige Angst aufrechterhalten und noch verstärkt. Ein Ausweg ist ohnehin nicht in Sicht, aber unser biologisches Programm zwingt uns, sich ständig mit dem bedrohlichen Ereignis zu beschäftigen. Diese Gedanken halten ein hohes Angst-Niveau aufrechte – an Ruhe ist nicht zu denken. Das biologische Programm läuft weiter, obwohl objektiv betrachtet, der Schlag längst vorbei ist. Die Gedanken an den Stressor erzeugen ständig Angst und lösen damit eine Stressreaktion aus. Der Mensch kann sich nicht erholen und das Kräfte-Sammeln wird gestört.

Psychisches Trauma

Bei besonders harten krisenauslösenden Ereignissen kann ein psychisches Trauma entstehen.

Diese Ereignisse können sein:

  • körperliche Misshandlung, die eigenen Bedrohung von Leib und Leben,

  • Mitansehen von schweren Verletzungen und den Tod Anderer.

Was ist ein psychisches Trauma?

Zitat: "Ein Trauma ist die Verletzung und nachhaltige Schädigung einer bestehenden Struktur. Das betrifft den körperlichen Bereich (z.B. Schädel-Hirn-Trauma, Polytrauma) ebenso wie den psychischen. Die Art des Ereignisses und die näheren Umstände spielen dabei ebenso eine Rolle wie die Personen, die davon betroffen sind, und die Folgen, die daraus auf den verschiedensten Ebenen (psychisch, körperlich, sozial, finanziell usw.) entstehen." (Clemens Hausmann, 2003a) Seite 59

Welche Schadereignisse können zum Trauma führen?

„Traumatische Ereignisse sind zumeist plötzlich auftretende Umstände oder Situationen, die auf den Betroffenen sehr bedrohlich wirken und akute traumatische Reaktionen, sowie längerfristige psychische Symptome und  Störungen verursachen können.“  (Clemens Hausmann, 2003a) Seite 59,60

Beispiele:

„Die häufigsten Traumata waren körperliche Gewalt (9,6%), schwere Unfälle (7,5%) und Zeuge sein von Unfällen oder Gewalt (4,2%), gefolgt von sexuellem Missbrauch in der Kindheit (1,9%) und Vergewalti­gung“ (1,3%) (Perkonigg et al., 2000; Maercker, I997a). in (Clemens Hausmann, 2003a) Seite 61

Besonders schwere Traumata entstehen durch willentlich von anderen Menschen verursachte Gewaltakte, wie Missbrauch, Folter, Terroranschläge und andere sowie länger andauernde oder sich wiederholende Traumata.

Die am stärksten belastenden Traumata sind für Frauen wie Männer Vergewaltigung und sexueller Missbrauch. (Clemens Hausmann, 2003a) Seite 61

Ein psychisches Trauma gehört zu den schwersten Schäden, die durch ein krisenverursachendes Ereignis ausgelöst werden können. Es entstehen daraus schwere psychische Schäden. Schwere Wahrnehmungsstörungen, Halluzinationen, Depressionen und Wahnvorstellungen sind möglich. Auffallend sind auch die vielen Störungen des Verhaltens im sozialen Kontakt.

Ein besonderer Fall der Traumatisierung ist eine Katastrophe. Fast alle Menschen eines Landstriches werden mit dem schrecklichen Ereignis belastet. Zusätzlich sind die Menschen lange Zeit mit der Zerstörung konfrontiert und in absehbarer Zeit ist keine Verbesserung der Lebenssituation in Sicht. Siehe Text zum Thema Katastrophe: Link Das Wesen einer Katastrophe

 

Weitere Literatur und Selbsthilfe zum Überwinden traumatischer Erlebnisse: Herbert, Claudia, Wetmore, Ann und Erckenbrecht, Irmela, Wenn Albträume wahr werden- traumatische Ereignisse verarbeiten und überwinden, Bern: Huber, 2006.

 

Selbstmord

Selbstmord wird von vielen Fachleuten auch als „Suizid“ bezeichnet. Erklärung: "Suzid"

Eine Lebenssituation kann für manche Menschen so schwierig werden, dass sie an einen Freitod denken. Die Verzweiflung kann schlimm werden, so schlimm, dass nicht der geringste Ausweg erkannt wird und die Situation nicht mehr zum Aushalten ist.

Freiwillig aus dem Leben zu scheiden und so allen Belastungen ein Ende zu setzen, erscheint dann als realistischer Ausweg. Suizid wird dabei als endgültige Lösung für ein zumeist vorübergehendes Problem gesehen. (Clemens Hausmann, 2003b) Seite 167

Selbstmordgefährdung

Wann ist ein Mensch selbstmord-gefährdet? Auch hierzu gibt es einen Fachbegriff: „suizidal“. Wann muss man an einen Verdacht auf Suizidalität denken?

"Suizidal ist, wer von Selbstmord spricht, entsprechende Andeutungen macht oder Besorgnis auslöst. Auch bei geringem Verdacht ist nach Suizidgedanken und -plänen zu fragen. Professionelle Helfer sind verpflichtet, bei akuter Gefährdung Hilfe zu leisten." (Manuel Rupp, 2003) Seite 115. 

"Ein „Verdacht auf Suizidalität" ist gegeben, wenn uns im Kontakt mit einem hilfesuchenden Menschen die Frage auftaucht, ob der betreffende „vielleicht suizidal" ist."  (Manuel Rupp, 2003) Seite 123.

Die Ankündigung eines Selbstmordes ist immer Ernst zu nehmen!

Für die Einschätzung der Gefährdung zum Selbstmord gibt es einige wichtige Hinwese. Im Wesentlich lassen sich aus dem Leben vor der Krise Hinweise auf die Möglichkeit zum Selbstmord schließen, daraus werden Risikofaktoren erkannt. Diese Erhöhen die Wahrscheinlichkeit, bei größeren Lebensproblemen sich das Leben zu nehmen.

Die Logik des Selbstmordes

Selbstmord erscheint uns oft als vollkommen fremd und unverständlich. Aber so ist es nicht. Selbstmord ist keineswegs eine bizarre und unver­ständliche Tat der Selbstzerstörung. Im Gegenteil: Selbstmörder ver­fügen über eine in sich schlüssige Logik. Da läuft einen Denkstil, der sie zu dem Schluss führt, der Tod sei die einzige Lösung für ihre Probleme. Dieser Denkstil wurde erkannt.

Der amerikanische Psychologe, Prof. Edwin Shneidman forschte 40 Jahre lang am Phänomen „Selbstmord“. (Literatur: Edwin Shneidman, 1988, Seite 29-31.)

Er hat 10 Merkmale, die zum Selbstmord führen, gefunden:

1) Unerträgliche psychische Schmerzen: Niemand begeht Selbstmord aus einem positiven Gefühl heraus. Selbstmord ist das Ergebnis großer Erschöpfung und Pein. Der Schmerz macht das Leben zur Hölle, und vor diesen Schmerzen will der selbstmordgefährdete Mensch fliehen.

2) Frustrierte psychologische Bedürfnisse: Sicherheit, Vertrauen, Freundschaft und Erfolg bestimmen in hohem Maße unser Innenleben und kommen in entsprechenden Bedürfnissen zum Ausdruck. Es gibt niemals einen Selbstmord, der nicht aus frustrierten Bedürfnissen heraus unternommen wird. Wenn die Frustration der nicht-erfüllten Bedürfnisse unerträglich wird, kommt es zum Selbstmord.

Link: Erklärung: Was ist "Frustration"

3) Die Suche nach einer Lösung: Selbstmord wird als ein Ausweg aus einem Problem, einer Krise, einer unerträglichen Situation gesehen. Der Betroffene fand nur ihn als einzige Antwort auf die zentrale Frage: „Wie komme ich aus dieser Lage heraus?".

4) Der Versuch, das Bewusstsein zum Schweigen zu bringen: Selbstmord ist eine Flucht vor dem Schmerz und der Versuch, das Bewusstsein endgültig zu verlieren. Das Ziel des Selbstmordes ist es, das Wahrnehmen-Müssen einer schmerzhaften Existenz zu beenden.

5) Hilf- und Hoffnungslosigkeit: Im Erleben der Verzweiflung liegt auch  noch das tiefere Gefühl der Macht- und Hilflosigkeit. Besonders großen Raum nimmt die Überzeugung, dass nichts und niemand gegen diese Schmerzen helfen kann. Nur der Selbstmord könnte helfen.

6) Einengung der Lösungsmöglichkeiten: suizidale Menschen denken nur noch in zwei Lösungsmöglichkeiten: Die totale Lösung oder das totale Nichts, auch Alles oder Nichts. Die vielen machbaren Lösungen, zwischen Alles oder Nichts, werden nicht gesehen und nicht akzeptiert. Verzweiflung und Schmerz hat den Menschen zu dieses Denkschema gebracht. Weil aber das Beste, das Einzige und das einzige „Richtige“ nicht erreichbar ist, gibt es nur mehr eine Lösungsmöglichkeit: den Tod

7) Ambivalenz: (Was heißt "Ambivalenz"?)

Das gleichzeitiges Bestehen entgegengesetzter Gefühle (Abneigung — Zuneigung) und Willensrichtungen in Bezug auf denselben Gegenstand ist bis zu einem gewissen Grad vollkommen normal. Wir alle lieben und hassen einen Elternteil, einen Partner, ein Kind - aber ein suizidaler Menschen pendelt zwischen Leben und Tod. Die selbstmörderische Situation ist typisch: Ein Mensch schneidet sich die Adern auf und ruft gleichzeitig um Hilfe. Psychologisch gesehen sind beide Handlungen echt.

8) Die Mitteilung der Absicht: Sehr viele selbstmordgefährdete Menschen geben Freunden und/oder Familienangehörigen Hinweise über ihre Suizid-Absicht.

Ihre Hilflosigkeit wird geäußert, um dramatisch um Reaktionen wird gebeten. Selbstmorde sind eigentlich keine Akte der Feindseligkeit oder der Rache,  sondern Versuche, andere dazu zu bewegen, den Schmerz des Selbstmörders zu erkennen und ihn vom Selbstmord abzuhalten.

Die Selbstmordbereitschaft wird auf verschiedenen Ebenen ausgerückt: Sprachlich durch die ausgesprochene Ankündigung. Auf der Verhaltensebene durch verschiedene Vorbereitungen, wie wertvolle Dinge weggeben, oder in auffälliger Weise werden seine Angelegenheiten geordnet.

9) Abschied: Selbstmord ist der endgültige Abschied, eine radikale und permanente Veränderung der Lebensbühne.

 10) Problemlösungs-Muster im bisherigen Leben:

¤   Die frühre Art und Weise, wie Probleme gelöst wurden und wie psychische Schmerzen ertragen wurden, sind Vorzeichen einer Selbstmordgefährdung in schweren Krisen.

¤   Der Hang zum „Entweder-Oder-Denken“ ist ein gefährlicher Vorbote für mangelnde Problemlösefähigkeiten.

¤   Auch das von früher gewohnten Abschieds-Muster lässt sich als Zeichen eines hohen Suizid-Risikos deuten.
Zum Beispiel: Wenn jemand beispielsweise einen Job hinwirft, bevor er gekündigt wird; wenn jemand seinem Ehepartner einfach davonläuft, anstatt sich dem Scheidungsprozess zu stellen; oder wenn jemand einen Problemlösungs-Stil entwickelt hat, der als „zuschlagen und weglaufen" charakterisieren werden kann,

Sind all diese Verhaltensweisen in der Vergangenheit aufgetreten, lässt sich annehmen, dass der Betroffene in einer Krisensituation zum Selbstmord neigt.

Kombination der zehn Merkmale

Keines dieser zehn Merkmale ist alleine für sich genommen explosiv, aber wirken mehrere gemeinsam, sind sie tödlich. Auch ist es leichter einen Menschen aus der Selbstmordabsicht herauszuholen, wenn nur wenige der zehn Merkmale auftreten. Sind alle zehn in der Situation des Betroffenen vorhanden, ist es schwer, den Suizid zu verhindern – aber trotzdem möglich.

Literatur: Shneidman, 1988, Seite 29-31.

 

Gespräch über Selbstmordabsichten

Das Reden mit dem / der Betroffenen über Selbstmordabsichten ist sehr wichtig, es ist unerlässlich abzuschätzen, wie weit Selbstmordpläne entwickelt wurden. Die Frage „Denken Sie daran, sich umzubringen“, ist unumgänglich.

Oft wird befürchtet, diese Frage könnte erst den verzweifelten Menschen auf die Idee bringen, sich das Leben zu nehmen. Das ist aber nicht so! – Durch das Fragen nach der Suizidalität (Erklärung: "Suzid") wird normalerweise kein Mensch in den Selbstmord getrieben.

Viel mehr empfinden suizidale Menschen das wichtige Gefühl des Verstanden-Werdens. Ihre Hoffnungslosigkeit und Einsamkeit wird gemildert: Da ist ein Mensch, der sich für Einem interessiert und das Wichtigste auch ausspricht!

Der Rahmen für ein Gespräch über die Selbstmordabsichten muss stimmen. Dazu braucht es Zeit, den richtigen Ort und die richtige Situation. An die Frage nach den Selbstmordabsichten muss sich der Helfer behutsam vortasten und zuvor eine Vertrauensbasis geschaffen haben. Mit den Antworten auf die Frage muss vertrauensvoll umgegangen werden.

Äußerungen, die als Anzeichen für Suizidalität (Erklärung: "Suzid")  interpretiert werden können:

¤   „Ich kann das nicht mehr ertragen." „Es war schon immer zu viel, aber jetzt geht es gar nicht mehr." „Ich mache das nicht mehr mit." „Ich möchte alles hinschmeißen." (bedeutet: Überlastung)

¤   „Mein Leben ist sinnlos geworden." „Es lohnt sich nicht mehr." „Alles, wofür ich ge­lebt habe, ist jetzt verloren." (bedeutet: Sinnlosigkeit)

¤   „Es wird nie besser werden." „Die Zukunft ist wie ein schwarzes Loch." „Ich weiß wirklich nicht, was ich noch tun kann." (bedeutet: Hoffnungslosigkeit)

¤   „Ich falle allen zur Last." „Ich bin völlig nutzlos." (Depressivität) „Irgendwann mal ist es zu spät." „Die werden sich noch wundern." „Wenn ich nicht mehr da bin, dann ..." (bedeutet: Interaktionelle Suizidmotive)

¤   „Ich möchte nur noch meine Ruhe haben." „Die Mühle kann nicht ewig so weiter­gehen." „Wenn ich nur einschlafen könnte und nicht mehr aufwachen würde." (bedeutet: Wunsch nach Ruhe)

Literatur: (Margarete Dross, 2001c) Seite 57

Falsches und Richtiges zum Selbsmord. Link: Falsches-Richtiges zum Selbstmord

                   

Verwendete Literatur:

Brockhaus, "Stress," Brockhaus, die Infothek, 2004,.

Bandler, Richard & John Grinder, Metasprache und Psychotherapie- Struktur der Magie 1, Paderborn: Junfermann, 1981.

Dross, Margarete, Krisenintervention, Göttingen, Berlin u.a.: Hogrefe, 2001a. b, c

Golan, Naomi, Krisenintervention (Treatment in crisis situations, dt.). Strategien psychosozialer Hilfen, Freiburg Br: Lambertus-Verlag, 1983.

Hausmann, Clemens, Handbuch Notfallpsychologie und Traumabewältigung- Grundlagen, Interventionen, Versorgungsstandards, Wien: Facultas, 2003a, b.

Kast, Verena, Der schöpferische Sprung- vom therapeut. Umgang mit Krisen, Olten [u.a.]: Walter, 1987.

Monika Schnell und Helmut Wetzel, "Krisenintervention und -therapie,"  Band 1 CD-ROMDirectmedia Publishing GmbH: Berlin, 2000,.

Rupp, Manuel, Notfall Seele- ambulante Notfall- und Krisenintervention in der Psychiatrie und Psychotherapie ; 84 Tabellen, Stuttgart [u.a.]: Thieme, 2003.

Shneidman, Edwin, Es gibt Besseres als den Tod, in "Psychologie heute", Weinheim: Beltz, 1988.

Ulich, Dieter, Das Gefühl- eine Einführung in die Emotionspsychologie, München [u.a.]: Urban u. Schwarzenberg, 1982a, b,

Zimbardo, P.G. & Wilhelm F. Angermeier, Psychologie, Berlin [u.a.]: Springer, 1983.

 

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Letzte Aktualisierung: 12.03.2011 09:05